Kannen-Kompositionen

Jeder Mensch hat seine kleinen Marotten. Manche sammeln alte Postkarten, andere Wecker, die nie gestellt werden. Ich hingegen sammle – Teekannen. Nicht aus Jagdfieber, sondern, wie ich mir einrede, aus System. Ich kaufe sie, wie Frauen bisweile Handtaschen kaufen: eine für jede Gelegenheit, für jede Stimmung, für jeden Tee.

Da ist die japanische Kyusu für Sencha – schlicht, fast meditativ. Die englische, ein schwerer Klassiker aus Bone China, für Breakfast Tea mit einem Schuss Milch. Zwei niederländische Kannen – robust, nordisch-praktisch – für Ostfriesentee und Darjeeling. Eine deutsche, funktional und verlässlich, für Kräuteraufgüsse an grauen Tagen. Und nun, mein jüngster Zuwachs: eine schwedische Teekanne. Zart wie Glas, federleicht, von mir für Assam gedacht – doch vielleicht eignet sie sich besser für einen stillen Oolong, der sich nicht aufdrängen muss.

Natürlich ist das alles vollkommen übertrieben. Ich weiß das. Und doch steckt in dieser Leidenschaft – oder nennen wir es ruhig Spleen – eine kleine Philosophie. Denn ist nicht jeder großartige Tee, wie jede funktionierende Gemeinschaft, ein Blend? Eine Mischung, die nur dann gelingt, wenn jedes Element seinen Platz findet – nicht zu dominant, nicht zu schwach.

Das gilt für Teesorten ebenso wie für Teams. Manchmal ist es die Stärke eines Assams, die uns antreibt, manchmal die Sanftheit eines Darjeeling, die uns erdet. Und dazwischen die vielen Zwischentöne: Menschen, Stimmungen, Ideen, die sich zu etwas Neuem verbinden – zu einem Geschmack, einer Haltung, einem Miteinander.

Selbst meine Tassenwahl folgt dieser stillen Logik: Assam nur aus meiner KPM-Tasse – edel, klar, verlässlich. Der kräftige Ostfriesentee am Montagmorgen? Nur aus meiner weißen, schweren Mug, die gut in der Hand liegt und den Tag mit einem gewissen Ernst eröffnet. Rituale, gewiss. Aber vielleicht sind es gerade diese kleinen Rituale, die dem Chaos Struktur verleihen.

Vielleicht geht es bei all dem gar nicht um Tee. Vielleicht ist die eigentliche Übung eine andere: das Austarieren. Zwischen Stärke und Milde, zwischen Routine und Neugier, zwischen dem, was wir sind, und dem, was wir sein könnten.

Darum: Auf diesen Montag. Auf die richtige Kanne, die richtige Mischung, das rechte Maß. Auf das, was sich nicht planen lässt, aber doch gelingt, wenn man es mit Hingabe mischt.

Denn am Ende geht es nie nur um Tee. Es geht um uns – und darum, wie wir uns in den Tag einschenken.

Happy brewing – im Leben, in der Arbeit, und in allem Dazwischen.


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