Barbara, Bus, Bier – G’schichten zum Anstoßen

Vor Jahr und Tag war ich Hamburg–München–Hamburg-Pendler. Kategorie „Businesskasper“. In beiden Metropolen fühlte ich mich gleichermaßen wohl – im Norden mit Alsterblick, im Süden mit Bergpanorama. Mein Ritual: vom Münchner Flughafen mit dem Lufthansa-Bus zum Nordfriedhof, dann weiter mit dem Taxi.

Einmal saß eine junge Dame im Bus, die man nicht übersehen konnte: rote Haare, grüne Augen, leises Lächeln. Ich überließ ihr mein Taxi, ohne zu ahnen, dass es Barbara Meier war, frischgebackene Siegerin bei Germany’s Next Topmodel. Später sah ich sie wieder – leider nicht live, sondern in den Gazetten: Glamour, Laufsteg, Trachten-Nacht. Das Taxi hatte sie damals jedenfalls bekommen.

Solche Begegnungen sind, wie Georg Simmel sagen würde, „Augenblicke der Vergesellschaftung“ – kurze, zufällige Verbindungen, die dennoch Spuren hinterlassen.

Und während Barbara heute Dirndl entwirft, verschwindet andernorts ein Beruf: Rainer Frank, der letzte Bierflaschen-Zudrücker, verschließt zum letzten Mal im bayerischen Oberndorf mit bloßen Händen Bügelverschlüsse. 15 Millionen Mal hat er dieses „Klack“ produziert – eine kleine Alltagsmusik, die nun von Maschinen übernommen wird.

Karl Marx hätte darin ein Beispiel für die „Entfremdung der Arbeit“ gesehen: Das Handwerk, das den Menschen unmittelbar mit dem Produkt verband, wird durch technische Effizienz verdrängt. Gleichzeitig könnte man mit Max Weber entgegnen: Es ist die „Rationalisierung“, die unsere Welt so unaufhaltsam prägt – der letzte Zauber entweicht, und übrig bleibt der Funktionsmechanismus.

Und doch, wie die unvergessliche Hannah Arendt erinnerte: Arbeit mag notwendig sein, aber das Eigentliche liegt im Handeln – in jenen Momenten, in denen wir Menschen begegnen, uns zeigen, uns erinnern.

Zu Barbara, Bus und Bayern passt, dass Adidas zum Oktoberfest einen neuen Sneaker herausbringt, der „Salute“ heißt. Bella Italia trifft bayerische Lederhose. Man könnte sagen: der Gipfel kultureller Verschmelzung.

Was bleibt? Ein schüchternes Lächeln im Bus. Ein letztes Klack eines Flaschenverschlusses. Ein Wiesn-Bierkrug mit Namensschild „Harald“.

Vielleicht steckt genau darin die Philosophie des Oktoberfests, das nächstes Wochenende startet: Alles ist endlich – der Beruf, die Mode, die Maß. Aber solange wir noch anstoßen können, bleibt uns der Augenblick. Ein kleines Fest der Gegenwart. Salute!


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