Es wird ja immer schlimmer. Wenn jetzt schon CEOs wie Mathias Döpfner freidrehen, wie man dieser Tage lesen kann. Obgleich: es wäre wohlfeil, sich in den Chor der Kritiker einzureihen. Irgendwie arg bürgerlich.
Eine ganz andere Meldung hat mich sowieso viel mehr berührt: Es war Sommer. Und ich noch ein Kind. Als ich die ersten Erfahrungen machte. Mit Cocktail-Tomaten, Käse-Oliven-Sticks und Frikadellen-Spießchen. Es war Tante Inge, die meine Mutter überredet hatte. Zu einer Tupper-Party.
Tupperware, ein 77 Jahre altes Unternehmen, ist seit Jahrzehnten ein bekannter Name und ein Synonym für Vorratsbehälter. Die Marke sieht sich jedoch aktuell mit steigenden Schulden, sinkenden Umsätzen und der Möglichkeit eines Konkurses konfrontiert, wenn nicht erhebliche Investitionen getätigt werden. Schlimm.
Es kommt noch schlimmer: Trotz der Bemühungen, sich neu zu positionieren und ein jüngeres Publikum anzusprechen, ist das Kerngeschäftsmodell von Tupperware überholt. Für mich Anlass, die Bedeutung von Anpassung, Innovation und Führung sowohl im Beruf als auch im Leben zu betrachten. Und was CEOs leisten müssten.
Anpassung und Innovation
Die Geschichte von Tupperware verdeutlicht die Notwendigkeit ständiger Anpassung und Innovation, um in einem wettbewerbsintensiven Markt die Nase vorn zu haben. Während die Produkte von Tupperware in den 1950er und 1960er Jahren revolutionär waren, haben billigere Alternativen den Markt inzwischen überschwemmt.
Ein vorübergehendes Wiederaufleben während der Covid-Pandemie erwies sich als unzureichend, um das Wachstum aufrechtzuerhalten. Die Unfähigkeit der Marke, in den letzten 10 bis 20 Jahren innovativ zu bleiben, hat zu ihrem aktuellen Kampf geführt.
Es zeigt sich, dass in der modernen Geschäftswelt der Einzelne bereit sein muss, sich anzupassen und zu innovieren, um beruflich erfolgreich zu sein. Wer sich auf Veränderungen einlässt, kann seine Karriereaussichten verbessern und sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Führungsqualitäten
Der Aufstieg von Tupperware ist auf die innovative Führung der legendären Brownie Wise zurückzuführen, die die Art und Weise, wie das Produkt verkauft wurde, veränderte, indem sie Tupperware-Partys organisierte, die auf die sozialen Bedürfnisse von Hausfrauen und Müttern ausgerichtet waren. Auf diese Weise wurde Tupperware für viele Frauen zu einer Einkommensquelle und zur Stärkung ihrer Stellung.
Die Führung von Tupperware versäumte es jedoch, sich dem Wandel der Zeit anzupassen, was zu einem Niedergang des Unternehmens führte. Angehende Führungskräfte müssen die Notwendigkeit der Anpassungsfähigkeit verstehen und wissen, wie wichtig es ist, sich auf die sich verändernden Bedürfnisse ihrer Kunden und Mitarbeiter einzustellen. Dazu gehört auch, dass sie sich mit Umwelt-, Sozial- und Governance-Fragen (ESG) auseinandersetzen und bereit sind, sich zu gesellschaftlichen Themen zu äußern.
Selbsterkenntnis und kontinuierliches Wachstum
Der Weg zu einer effektiven Führungspersönlichkeit oder einem CEO ist nicht geradlinig. Viele CEOs stellen bei der Übernahme ihrer Rolle fest, dass sie Fähigkeiten und Kenntnisse benötigen, die sie noch nicht entwickelt haben. Selbstbewertungsinstrumente können in dieser Hinsicht eine wertvolle Ressource sein.
Aber zurück zur Bürgerlichkeit, ein Begriff, der in der Gesellschaft oft mit gemischten Gefühlen betrachtet wird, ist ein kulturelles und soziales Phänomen, das seinen Ursprung in der europäischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts hat. Als Antwort auf die absolutistische Herrschaft und den Adel entstand die bürgerliche Gesellschaft, die sich durch Rationalität, Bildung und Selbstbestimmung auszeichnete.
Die Werte der Bürgerlichkeit
Die bürgerlichen Werte sind geprägt von Rationalität, Moral und Bildung. Die Vernunft wurde als Leitprinzip der Aufklärung betrachtet und sollte dazu dienen, die Welt und die menschlichen Beziehungen besser zu verstehen. Die Moral spielte eine zentrale Rolle in der bürgerlichen Ethik, die darauf abzielte, die individuelle Freiheit und die Rechte des Einzelnen zu schützen. Bildung war ein weiterer Grundpfeiler der Bürgerlichkeit, da sie als Schlüssel zu sozialem Aufstieg und gesellschaftlicher Teilhabe galt. CEOs sollten also Moral und Bildung mit Rationalität verbinden.
Die Bürgerlichkeit in der modernen Gesellschaft
In der heutigen Zeit hat die Bürgerlichkeit indes an Bedeutung verloren, und ihre Werte und Normen werden von vielen als überholt betrachtet – insbesondere von CEOs. In einer globalisierten Welt, die von kulturellem Pluralismus und Vielfalt geprägt ist, erscheinen die bürgerlichen Ideale von Rationalität, Moral und Bildung als engstirnig und limitierend. Dennoch kann man argumentieren, dass einige dieser Werte nach wie vor relevant sind, etwa in Bezug auf Bildung und soziale Verantwortung.
Bürgerlichkeit, habe ich letztens gelesen, korreliert mit Immerschlimmerismus. Zwangsläufig. Der wortbrecherische Begriff beschreibt die Tendenz, die gegenwärtigen Umstände und Herausforderungen stets als schlimmer werdend wahrzunehmen. In der deutschen Gesellschaft kann dies beispielsweise durch die Angst vor dem sozialen Abstieg und der schrumpfenden Mittelschicht beobachtet werden.
Tupperware und die symbolische Leistung
Immerschlimmerismus ist aber auch mit Tupperware verbunden – ein Synonym für die Aufbewahrung von Lebensmitteln und die Konservierung von Wohlstand, das in diesem Kontext die materiellen Errungenschaften und das Streben nach Sicherheit und Stabilität symbolisiert. In der Nachkriegszeit war Tupperware ein Zeichen für den wachsenden Wohlstand und das Streben nach einem besseren Leben in der aufstrebenden Mittelschicht. Heute steht es metaphorisch für den Wunsch nach Beständigkeit und Sicherheit in einer sich rasch verändernden Welt.
Leistung und soziale Durchlässigkeit
Der Begriff der Leistung bezieht sich auf die Fähigkeit und Bereitschaft, sich durch harte Arbeit, Bildung und persönlichen Einsatz in der Gesellschaft nach oben zu arbeiten. In der Vergangenheit war Leistung ein zentrales Element für den sozialen Aufstieg und die Verbesserung der Lebensumstände. Bildung und beruflicher Erfolg ermöglichten es vielen Menschen, aus der Arbeiterschicht in die Mittelschicht aufzusteigen und ein besseres Leben zu führen. In der heutigen Gesellschaft spielt Leistung weiterhin eine wichtige Rolle, aber die Bedingungen für den sozialen Aufstieg haben sich verändert. Und Tupperparties sind aus der Zeit gefallen.
Die veränderte Rolle der Leistung
Mit der wirtschaftlichen Globalisierung, der Digitalisierung und einer sich wandelnden Arbeitswelt haben sich auch die Voraussetzungen für den sozialen Aufstieg verändert. Während früher insbesondere eine gute Ausbildung und eine anspruchsvolle Tätigkeit den Weg in die Mittelschicht ebneten, sind heute auch andere Faktoren entscheidend. Dazu zählen Netzwerke, soziale Kompetenzen und die Fähigkeit, sich schnell an veränderte Bedingungen anzupassen.
Aus der Leistungsorientierung der Bürgerlichkeit, die exemplarisch durch die Tupperware-Story repräsentiert wird, können CEOs Lehren ziehen. Vielleicht auch Mathias Döpfner. Die Story könnte wie folgt gehen: Es war einmal in einer Welt der Bürgerlichkeit, in der die Tupperware-Boxen glänzten und CEOs die Helden des Alltags waren. In dieser Welt herrschten Leistung, Ordnung und der Glaube an die Macht der praktischen Kunststoffbehälter.
In dieser Welt, in der Leistung alles bedeutete, stieg einer zu den Sternen auf – Mathias Döpfner. Der Mann, der die Kunst des Schlagzeilensports beherrschte wie kein anderer.
Der intellektuelle Titan verstand die Magie der bürgerlichen Kultur besser als jeder andere. Er erkannte die verführerische Macht, die in der Ecke eines aufgeräumten Küchenschranks lauerte, in dem Tupperware-Boxen in allen Farben und Formen auf ihre Chance warteten, den Mittagstisch zu erobern.
Die Tupperware-Party war für den Verleger der Inbegriff der bürgerlichen Kultur. Hier trafen sich Hausfrauen und CEOs, um sich über die neuesten Trends der Leistungsgesellschaft auszutauschen. Hier wurden Freundschaften geknüpft, Geschäfte gemacht und die Weichen für eine neue Weltordnung gestellt.
Das Geheimnis der Tupperware lag in ihrer Schlichtheit und ihrer Anpassungsfähigkeit. Ähnlich wie die CEOs waren die Plastikbehälter flexibel und wandelbar, bereit, den vielfältigsten Anforderungen der Moderne gerecht zu werden.
In der Welt der Bürgerlichkeit fand Mathias Döpfner seine Inspiration für seine Karriere als CEO von Springer. Er sah sich selbst als eine Art Tupperware-Box – bereit, mit Leichtigkeit und Eleganz den Herausforderungen des Lebens zu begegnen. Und so wurde aus dem jungen Vorstandassistenten der führende CEO, der er heute ist. Er verstand es, die bürgerlichen Ideale der Leistung und Ordnung in der Geschäftswelt zu leben und zugleich seinen eigenen, unverwechselbaren Stil zu bewahren.
Noch wach? Bevor uns Benjamin von Stuckrad-Barre am Montag seine Inspiration über CEO-Leistungen mitteilt, schnell meine Info an den Finanzinvestor KKR, der bei Springer bereits Erfahrungen mit der Bürgerlichkeit machen konnte: Tupperware braucht aktuell einen visionären, leistungsbereiten CEO. Ich wüsste da einen passenden Kandidaten. Voll bürgerlich. Sonst wird es immer schlimmer.
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