Glory Days: Einst war ich wie viele andere ein wahrer Soho-Afficionado. Ein eifriger Besucher des Londoner West Ends, wo die Straßen zwischen Oxford Street, Regent Street, Piccadilly Circus, Leicester Square und Chinatown vor Lebendigkeit und Kreativität nur so strotzten. Ein Studentenjob in einem Pub gab mir die Gelegenheit, das bohemistische Flair dieses Viertels in vollen Zügen zu genießen. Und auch wenn mein bescheidenes Etablissement nicht mit dem famosen „The Dog and Duck“ mithalten konnte, hatten wir doch alle eines gemeinsam: die Unvorhersehbarkeit und Faszination des Londoner Nachtlebens.
Dies ist indes keine Geschichte über meine glorreichen Tage in Soho. Vielmehr eine Betrachtung des königlichen Besuchs von William und Kate jüngst im „Dog and Duck“ das schon immer eine besondere Anziehungskraft auf berühmte Persönlichkeiten ausübte. Doch selbst der große George Orwell, der in den 1940er Jahren zu den Stammgästen zählte, hätte sich in seinen schlimmsten Albträumen nicht vorstellen können, wie die moderne Technik den Charakter dieses besonderen Ortes verändert hat: Heute halten unzählige CCTVs und bei der Stippvisite von William und Kate ubiquitäre Fotohandys den Moment fest.
In dieser ambivalenten Atmosphäre traf nun das royale Paar im Pub ein. Und während die Menschenmenge den Atem anhielt, zapfte Prinz William einen Pint des treffend benannten Bieres „Kingmaker“ und demonstrierte damit, dass auch ein Thronfolger in der Welt der Pubs seinen Platz hat. Als Kenner der Materie des Zapfens von englischem Bier muss ich sagen: er müsste noch etwas üben.
Was freilich den Besuch des königlichen Paares im Dog and Duck“ zu einem wahrlich denkwürdigen Ereignis machte, war nicht allein die Tatsache, dass sie mit der Londoner Bevölkerung interagierten, sondern auch ihre demonstrative Abkehr von einer der Traditionen der britischen Etikette: Prinz William erschien ohne Krawatte, und alle Mitglieder seiner Entourage folgten seinem Beispiel.
Damit markierte der zukünftige König symbolisch das Ende einer Ära und den Beginn einer neuen, in der Krawatten hauptsächlich von Nachrichtensprechern, Trauergästen und anderen Besuchern königlicher Veranstaltungen getragen werden. Womit wir beim eigentlichen Thema dieser Kolumne wären: darf ein Thronfolger oder gar ein König die Krawatte bei öffentlichen Auftritten ablegen? Ich schmeiße mal ein affirmatives „not at all“ in die Diskussionsrunde. Und wie ist das eigentlich mit der Kleidungstradition bei Charles‘ Coronation?
Immerhin: Der Countdown für die Krönung läuft, und die jüngste Ankündigung der königlichen Kleidung, die Charles III. bei der Zeremonie tragen wird, bietet die Gelegenheit, sich mit der vielschichtigen Beziehung zwischen der Monarchie, der Mode und der Nachhaltigkeit zu befassen. Die Entscheidung von Charles, den Krönungsgürtel und den Krönungshandschuh seines Großvaters Georg VI. wiederzuverwenden, mag im großen Rahmen des königlichen Prunkspektakels als kleine Geste erscheinen, sie ist jedoch ein tiefgreifendes Symbol für sein anhaltendes Engagement für Nachhaltigkeit.
Im Laufe seines Lebens hat Charles die Wahl seiner Garderobe genutzt, um sein angestrebtes Image als zukünftiger Monarch zu vermitteln. Nun, als gebildeter König mit einem ausgeprägten Interesse an Geschichte und Kunst, ist er sich zweifellos bewusst, dass seine Kleiderwahl immer wieder kritisch hinterfragt wurde und wird. Dieses Bewusstsein hat zu einem einzigartigen persönlichen Stil geführt, der die Liebe seines Großonkels zur Mode mit dem Pflichtbewusstsein seines Großvaters verbindet.
Die Kleidungswahl von Charles zeugt nicht nur von ästhetischen Vorlieben, sondern auch von seinem Engagement für Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Die vom Aussterben bedrohte blaue Kornblume, die oft sein Knopfloch ziert, dient als visuelle Erinnerung an die Umweltbelange, für die er sich einsetzt. Dieses Engagement erstreckt sich auch auf seine Beziehungen zu den Lieferanten, da er auf bestimmten Umweltanforderungen besteht, um deren königliche Garantien zu erhalten.
Ein Markenzeichen von König Charles III. in Sachen Mode ist seine Abneigung gegen Verschwendung. Anstatt ständig neue Kleidungsstücke für besondere Anlässe in Auftrag zu geben, entscheidet er sich für die Pflege und Wiederverwendung vorhandener Kleidungsstücke. Beispiele dafür sind der Anzug von Anderson and Sheppard (Savile Road), den er bei der Hochzeit von Harry und Megan trug, und ein Dufflecoat, der bereits seit vier Jahrzehnten seine Schultern ziert.
Neben seiner persönlichen Garderobe hat Charles auch praktische Schritte unternommen, um die Nachhaltigkeit in der Modeindustrie zu fördern. So spiegeln seine Kampagne für Wolle und das Modern Artisan Projekt sein Engagement für nachhaltige Mode und den Umweltschutz wider. Als König mag sich seine Rolle verändern, aber das Vermächtnis seiner Garderobe und die kraftvolle Botschaft, die sie vermittelt, werden fortbestehen.
Führungspersönlichkeiten haben die Möglichkeit, durch ihre Entscheidungen und ihren persönlichen Stil eine Botschaft zu vermitteln. König Charles III. zeigt, wie man dies erfolgreich umsetzen kann, indem er sich für Nachhaltigkeit und Umweltschutz einsetzt und diese Werte in seiner Garderobe und seinen Entscheidungen verkörpert. Hier sind einige Tipps für Manager, die sich an seinem Beispiel orientieren möchten:
1. Kommunizieren Sie Ihre Werte durch Ihr Auftreten: Das Erscheinungsbild und Verhalten einer Führungskraft haben einen starken Einfluss auf die Wahrnehmung ihrer Werte und Prioritäten. Nutzen Sie Ihre Kleidung, Körpersprache und andere nonverbale Signale, um Ihre Werte und die Ihrer Organisation zu vermitteln.
2. Seien Sie ein Vorbild für bewussten Konsum: Die Abneigung von Charles gegen Verschwendung zeigt, dass es möglich ist, stilvoll und bewusst zu konsumieren. Führungskräfte können ein Vorbild für ihre Mitarbeiter sein, indem sie auf Qualität und Langlebigkeit statt Quantität und kurzlebige Trends setzen.
3. Setzen Sie sich für langfristige Beziehungen mit Lieferanten ein: Charles besteht darauf, dass seine Lieferanten Umweltanforderungen erfüllen, um königliche Garantien zu erhalten. Dies zeigt, dass er Wert auf langfristige, verantwortungsbewusste Beziehungen legt. Manager und Führungskräfte sollten sich für ähnliche Standards einsetzen.
Die Kleidung, die wir tragen, und die Art, wie wir uns präsentieren, sind mehr als bloße Äußerlichkeiten – sie sind vielmehr ein Bekenntnis zu unseren Werten und Überzeugungen. In einer Zeit, in der bewusster Konsum und nachhaltige Beziehungen zu Lieferanten das Gebot der Stunde sind, können wir uns ein Scheibchen von Prinz Williams Krawattenrebellion und König Charles‘ Stilprinzipien abschneiden und damit ein Zeichen setzen, dass wir uns nicht nur als Modeikonen, sondern auch als Vorreiter des Verantwortungsbewusstseins präsentieren wollen.
Im Laufe der Jahre hat der zukünftige und traditionsbewusste König Charles III. eindrucksvoll gezeigt, wie sehr ihm die britische Gaststättenkultur am Herzen liegt, wofür er sogar den Titel „Biertrinker des Jahres“ erhielt und als „Prince of Ales“ bekannt wurde. Seine Verbundenheit zu dieser Kultur ist ein weiterer Grund, warum wir uns auf seine Krönung freuen sollten. In Ermangelung eines Kingmaker-Ales werde ich bei der Krönung mit einem König Pilsner anstoßen. Das spiegelt die Traditionen des Brauereigründers Theodor König wider, der seinerzeit mutig gegen den Brautrend der obergärigen Biere ging und sich für die damals aufwendige Pilsener Brauart entschieden hatte.
Ein Toast und Prost auf die Nonkonformisten! Und den König natürlich.
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