Havelländisches Hüftgold

Waren Sie schon mal in Liverpool? Für alle, die mit dieser Stadt an der Mündung des Mersey in die Irische See nichts anfangen können: Jürgen Klopp hängt da seit einiger Zeit herum und „never walks alone“ – bei den „Reds“ wie der FC Liverpool auch genannt wird. Mit 19 Meistertiteln ist es einer der erfolgreichsten Vereine Englands. Und die Stadionhymne „You’ll never walk alone“ von Gerry & the Pacemakers ist seit 1963 das emotionale Gesangsvorbild für unzählige Fußballvereine weltweit. Ach ja, die Beatles stammen auch aus Liverpool.

Eine große Gesangstradition. Und ab heute Abend wird es dann auch „unser Lied für Liverpool“ geben. Den deutschen Beitrag für den European Song Contest (ESC). Zur Wahl stellen sich:

Will Church – Hold On.

Patty Gurdy – Melodies Of Hope.

Lonely Spring – Misfit.

Anica Russo – Once Upon A Dream.

Lord Of The Lost – Blood And Glitter.

René Miller – Concrete Heart.

Trong Hieu Nguyen – Dare To Be Different.

Und Ikke Hüftgold mit seinem „Lied mit gutem Text“.

Ich werde die Darbietungen und das anschließende Voting im Havelland verbringen, ums Eck bei Herrn Ribbeck von Ribbeck. Das Gedicht und Lied über den Landadligen mit seinem Birnbaum habe ich schon im Kindergarten gesungen.

Das Lied und Gedicht aus der Feder von Theodor Fontane, ist das beste Beispiel für einen starken Songkontext. Das Gedicht erzählt die Geschichte eines alten Mannes, der seinen Apfelbaum zu Lebzeiten an die Dorfkinder verschenkt und somit für sein Fortleben sorgt. Es ist eine nostalgische und sentimentalische Ode an die Vergangenheit, die von vielen als Sinnbild für die Romantik und die Schönheit des Landlebens interpretiert wird.

Zurück zum Eurovision Song Contest. Der ESC ist seit vielen Jahren ein beliebtes Event für Millionen von Zuschauern weltweit. Ein Event, bei dem es um mehr geht als nur um das Singen von Liedern. Ein wichtiger Faktor ist der Songkontext. Wie wird das Lied präsentiert und welche Message soll vermittelt werden?

Bei den deutschen Kandidaten für Liverpool sticht mit Matthias Distel alias Ikke Hüftgold ein unkonventioneller Künstler hervor. Hüftgold ist bekannt für seine Ballermann-Musik und seine exzentrische Erscheinung. Er tritt in einem orangefarbenen Overall auf, trägt eine zottelige Perücke und grölend singt er davon, dass wir endlich mal ein Lied ohne Saufen und Sex brauchen.

Er verkörpert das Gegenteil von dem, was man von einem ESC-Teilnehmer erwartet – und genau das könnte ihm zum Erfolg verhelfen. Doch was hat das alles mit einem alten Gedicht über einen Birnbaum zu tun? Nun, auch hier geht es um das Anderssein und das Abweichen vom Mainstream. Herr von Ribbeck von Ribbeck im Havelland war ein außergewöhnlicher Mann, der sich von den anderen Adligen in seiner Umgebung unterschied. Sein Vermächtnis – das Gedicht – ist bis heute in der deutschen Kultur präsent.

Im täglichen Business kann ein gut gewählter Kontext die Botschaft verstärken und die Wirkung auf die Zielgruppe erhöhen. Gleichzeitig kann ein unpassender Kontext den Erfolg gefährden. Wer erfolgreich und überzeugen will, kann von Herrn Ribbeck und Ikke Hüftgold lernen, dass es manchmal notwendig ist, aus der Masse herauszustechen und anders zu sein als die Konkurrenz.

Unternehmen und Menschen, die sich trauen, etwas Neues zu wagen und sich von den gängigen Praktiken abzuheben, können in einer Welt voller austauschbarer Produkte und Dienstleistungen einen wertvollen Wettbewerbsvorteil erlangen.

Gleichzeitig sollten sie sich fragen was ist etwa das Ziel einer Kampagne und welche Botschaft soll vermittelt werden? Wie kann man die Zielgruppe am besten erreichen und welche Emotionen möchte man bei den Zuschauern auslösen?

Natürlich ist es wichtig, dass die Abweichung vom Mainstream auch einen Mehrwert bietet und nicht nur eine reine Provokation ist. So wie Ikke Hüftgold mit seinem Lied, das eine ironische Brechung darstellt und zum Nachdenken über Geschmack und den Sinn oder Unsinn von Veranstaltungen wie den ESC anregt. Letztlich geht es darum, den Mut zu haben, anders zu sein und neue Wege zu gehen. Denn nur so kann man aus der Masse herausstechen und erfolgreich sein – sei es im Musikbusiness oder in der Geschäftswelt.

Und wer weiß, vielleicht wird Ikke Hüftgold ja tatsächlich mit seinem „Lied mit gutem Text“ den ESC-Vorentscheid gewinnen und damit beweisen, dass Anderssein sich auszahlen kann.

Ich fühle mich zumindest von Ikke Hüftgold und Herrn Ribbeck inspiriert und sinne über eine Business-Ballermann-Birnbaum-Karriere nach. Der Songkontext ist klar: es muss was Einfaches zum Mitgrölen sein und vom Saufen und Sex handeln. „Birnbaum! Birnbaum im Havelland!“ böte sich an. Der Liedtext geht ungefähr so: „Ich liebe den Birnbaum, er ist so rund und prall. Ich feier ihn im Club, denn er macht mich so richtig knall.“ Bei den Lieddarbietungen sollen Birnen an den Decken hängen. Sieht nicht nur toll aus, sondern ist auch noch gesund!

Vielleicht setzt sich diese Geschäftsidee erfolgreich durch. Plötzlich findet man Birnen als Deko in Clubs und Bars auf der ganzen Welt. Mein Birnbaum-Business hat es geschafft, eine Nische zu finden und sie erfolgreich zu besetzen.

Ich halte Sie in dieser Kolumne auf dem Laufenden.


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