Ach, der Frühling. Die Knospen sprießen, die Hormone toben, und vor den Schulen fliegen wieder Mehl, Klopapierrollen und Einhörner in Gummibooten durchs Bild – es ist Abistreich-Zeit. Die Abiturienten des Jahrgangs 2025 haben ihren Bildungsauftrag erfüllt (mehr oder weniger) und feiern das mit der hemmungslosen Euphorie einer Generation, die glaubt, Humor sei ein TikTok-Sound.
Ich erinnere mich: Mein eigener Abistreich war eine strategisch ziemlich perfekt geplante Mischung aus Dadaismus und Guerilla-Marketing – wir hatten die gesamte Pausenhalle mit Folie ausgekleidet und in einen seichten Teich verwandelt. Der Vorraum zum Lehrerzimmer wurde mit Tonnen von Styroporkügelchen geflutet. Und dann noch „The Wall“ – die Verhüllung des Friedrich-Spee-Gymnasiums à la Christo und Jeanne-Claude, komplett in New-Wave-Schwarz. Keine Ahnung, warum. War halt 1985. Oder so. Jedenfalls: irre cool.
Heute mutieren Deutschlands Schulhöfe zur Open-Air-Zone für Seifenblasen, Dosenbier und Zukunftsangst. Und währenddessen meldet sich DIE LINKE zu Wort. Forderung: Weg mit dem Tanzverbot am Karfreitag!
Wie herrlich unpassend passend. Zwischen Abifeten und Bußtagsgefühl öffnet sich ein kulturpolitischer Spaltpilz, der Generationen trennt wie ein algorithmischer Riss durch Spotify-Playlists.
Die Generation Z, in deren Händen das diesjährige Abitur liegt, dürfte darauf nur müde mit den Schultern zucken – oder ein Meme posten. Karfreitag? „Ist das dieses Event mit Tanzverbot? Klingt nach Silent Disco.“
Und ich? Als Vertreter der Generation X, jener melancholischen Mittelschicht mit Walkman-Trauma und Hang zur Ironie? Ich denke mir: Vielleicht brauchen wir das Tanzverbot gar nicht mehr. Nicht, weil wir plötzlich alle hedonistische Nihilisten wären – sondern weil es eh keinen Unterschied mehr macht, ob wir tanzen oder doomscrollen.
Denn wer tanzt heute noch wirklich? Ich meine: ekstatisch, barfuß, zu Drum’n’Bass im Park oder Ibiza-EDM – ohne gleich einen Versicherungsberater dabei zu haben?
Vielleicht hat DIE LINKE recht – und das Verbot ist so überholt wie der Chemie-Leistungskurs im TikTok-Zeitalter. Vielleicht sollten wir Karfreitag zu einem Tag des stillen Twerks erklären – als Gedenkminute für die verlorene Würde in Polonaisen auf Abipartys.
Oder wir lassen es einfach, feiern die Jugend, geben ihnen die Bühne – und hören zu, wenn sie mit ironischer Ernsthaftigkeit fordern: „Mehr Toleranz für alle – sogar für DJ Ötzi am Karfreitag!“
In diesem Sinne: Happy Casual Friday. Lasst tanzen, wer glauben will. Glauben, wer tanzen kann. Und wer weder noch – darf sich einfach mal hinsetzen. Denn schon übermorgen ist Ostern – und während an Karfreitag Stille geboten ist, feiern Christen weltweit bald das lauteste aller Versprechen: Die Auferstehung.
Vielleicht liegt genau darin die schönste Pointe: Dass nach jedem stillen Freitag ein neuer Anfang wartet. Mit Licht. Mit Hoffnung. Und vielleicht – mit einem guten Beat.
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