Matchball Harmonie

Wer erinnert sich nicht an das kitzelnde Herzklopfen der ersten Liebe, die weichen Knie und die aufsteigende Hitze, wenn das Objekt unserer Begierde uns auch nur flüchtig zuwinkt? Einmal mehr fand ich mich gestern Abend auf einer nostalgischen Zeitreise, diesmal angetrieben von einer Netflix-Romantikkomödie – „Your place or mine“, starring Reese Witherspoon und Ashton Kutcher.

In der Handlung wird die heldenhafte Witherspoon mit einem vergifteten Kompliment einer böswilligen Ex attackiert: „Ich mag Deinen Jeansrock und den Generation-X-Sexappeal“. Ich, ein stolzer Gen-X-Mann (und definitiv kein Boomer!), wurde abrupt in eine Zeit zurückversetzt, als ich ein Teenager war, eifrig Tennis spielend und hoffnungslos verliebt in eine Gen-X-Dame, die außerhalb des Tennisclubs immer einen Jeansrock trug.

Es waren die Zeiten der verträumten Jugend, als ein Jeansrock die Weltherrschaft zu versprechen schien, bevor die Realität des Erwachsenseins sie als bloßes Kleidungsstück entlarvte. Aber vergessen wir den melancholischen Pfad meiner nicht ganz so romantischen Vergangenheit und schwenken zu etwas Ernsthafterem über.

Die Büroräume heute scheinen ein zähes Schlachtfeld zu sein, in dem 60 Prozent der Beschäftigten den unersättlichen Hunger nach Macht hegen. Jedenfalls hat das eine Studie herausgefunden. Sie zeichnet ein düsteres Bild von Narzissten im Büro, die danach streben, ständig im Mittelpunkt zu stehen und Einfluss auf andere auszuüben.

In der Tat, wir haben uns in einen Haufen von machtgierigen Wolfsrudeln verwandelt, deren einziger Fokus auf Leistung und Dominanz liegt, anstatt auf der Pflege von Bindungen und dem Aufbau von Beziehungen. Die Studie zeigt, dass nur eine kleine Gruppe von uns von der Motivation angetrieben wird, Beziehungen zu Kollegen zu pflegen.

Auf der anderen Seite des Spektrums steht Thomas Vasek, Chefredakteur des Anfang des Jahres leider eingestellten Philosophiemagazins „Hohe Luft“. Vasek argumentiert, dass Harmonie „verblödet“. Sie mache uns „träge, mutlos, unkreativ und schwach“. In einer scheinbar harmonischen Umgebung könnten Intrigen und Brutalität blühen, was einen unangenehmen Beigeschmack hinterlässt.

Es scheint, als ob wir uns auf einer schmalen Brücke zwischen dem Streben nach Macht und der Sehnsucht nach Harmonie bewegen. Die Frage ist, welche Seite hat das stärkere Ziehen? Wird es das laute Getöse der Macht sein, das unsere Instinkte übertönt, oder das sanfte Lied der Harmonie, das unsere Herzen berührt? Am Ende des Tages brauchen wir vielleicht beides – die Stärke, um uns durchzusetzen, und die Harmonie, um uns zu verbinden.

Ob nun Jeansrock oder Anzug, ob Tennisplatz oder Bürogebäude – unsere Motive und Bedürfnisse formen unsere Erfahrungen. Und wer weiß, vielleicht werden wir eines Tages eine Komödie namens „harmony office“ sehen, die die täglichen Dramen, Siege und Niederlagen unseres Berufslebens humorvoll auf die Leinwand bringt.

Bis dahin, liebe Leserinnen und Leser, bleibt die Frage: Was trägt Ihr Gen-X-Schwarm heute?


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Kommentare

2 Antworten zu „Matchball Harmonie“

  1. Avatar von Bernhard Elias
    Bernhard Elias

    Lieber Harald,
    ich empfehle dazu den Film „Living“ mit Bill Nighy – nicht nur wegen der strukturellen Parallele zu Deinem Beitrag (Brückenschlag aus der Vergangenheit etc.). Dass der Hauptdarsteller keinen Oskar bekommen hat, kann nur an einer überragenden Konkurrenz gelegen haben – nur finde ich die nicht.
    Herzlich, Bernhard

    1. Avatar von admin

      Danke für den Tipp, lieber Bernhard. Der Trailer des Films ist vielversprechend

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