Murakami macht Schatten

Wenn man, so wie ich, das Graecum vorweisen kann – also das Examen in Altgriechisch – stellt sich irgendwann die Frage: what for? Heute weiß ich: es hilft, Geschichten als Narrative zu begreifen. Als große, grundsätzliche Erzählungen. Und dass man unweigerlich zum Fan des japanischen Schriftstellers Haruki Murakami wird. Aber dazu später mehr. Erst einmal die große Erzählung.

Eratosthenes, dieser mathematische Detektiv der Antike, erhielt einst einen rätselhaften Brief aus der ägyptischen Stadt Syene, dem heutigen Assuan. Der Verfasser beschrieb eine Sommersonnenwende, an der dort kein Mensch einen Schatten besaß. Direkt über ihnen thronte die Sonne, und nur ihr Erdenlicht umgab sie zur Mittagszeit. Blicke in Brunnen waren unmöglich, da der Schatten des Kopfes, der sich über den Rand neigte, alles in Dunkelheit tauchte.

Eratosthenes nutzte diesen Bericht zur Berechnung des Erdumfangs, doch schauen wir uns die Geschichte einmal aus der Perspektive eines gewöhnlichen Lesers an, ohne die Genialität eines Mathematikers im Hinterkopf. Syene – ein Ort, der in der heutigen Welt beinahe märchenhaft anmutet. Hier leben Menschen ohne Schatten, und Brunnen sind schwarze Löcher, die nur Finsternis zurückwerfen. Wer in diese Schächte fällt, ist verloren und unsichtbar. Die Schattenlosigkeit, die in der grellen Sonne entsteht, schafft eine seltsame Isolation und eine unnatürliche Atmosphäre.

Kann es einen solchen Ort geben? In der Welt von Haruki Murakami schon. In seinem Buch „Hard-Boiled Wonderland und das Ende der Welt“ entführt er uns in ein Dorf namens „Weltende“, das von Mauern umgeben ist und eine verwirrende Ähnlichkeit mit Syene aufweist. Sein Protagonist, ein menschlicher Kalkulator, der komplexe kryptografische Aufgaben löst, muss seinen Schatten abgeben, bevor er in dieses Dorf eintreten darf.

Die Schattenlosigkeit in Weltende erzeugt eine Welt, die gleichermaßen geborgen und unmenschlich ist. In dieser seltsamen Stadt liest der Protagonist Träume aus Einhornschädeln und sein abgetrennter Schatten fristet ein elendes Dasein als Zwangsarbeiter. Am Ende entscheidet er sich gegen die Flucht und verbleibt in der schattenlosen Welt ohne Zeit.

Diese fiktive Welt mag weit entfernt von der Realität erscheinen, aber sie bietet einige interessante Parallelen zur modernen Arbeitswelt. Die globalisierte Wirtschaft zeigt uns, dass Ereignisse an einem Ende der Welt unweigerlich Auswirkungen auf das andere Ende haben. Wir können diese Erkenntnis nutzen, um in unserer Karriere erfolgreich zu sein.

Die Schattenlosigkeit in Weltende könnte als Metapher für die Transparenz und Offenheit gesehen werden, die in der modernen Arbeitswelt oft gefordert sind. Um erfolgreich zu sein, müssen wir also bereit sein, unsere Schwächen und Stärken offenzulegen und uns kontinuierlich weiterzuentwickeln. Gleichzeitig kann die geborgene, aber unmenschliche Atmosphäre uns daran erinnern, dass wir unsere menschliche Seite und unsere Beziehungen zu anderen nicht vernachlässigen dürfen.

Die Geschichte von Syene, eine Allegorie auf das menschliche Dasein, lehrt uns, dass der ständige Kampf zwischen Freiheit und Geborgenheit unser Leben prägt. Diese Spannung zwischen unseren persönlichen Schatten und der Suche nach unserer Identität lässt sich auch auf unsere Karriere anwenden. Denn in einer globalisierten Welt gilt es, die Karriereziele mit Bedacht zu verfolgen. Hier sind einige Tipps, um erfolgreich in der modernen Arbeitswelt zu navigieren.

Kenne deine Identität: In einer Welt, in der alles miteinander verflochten ist, ist es wichtiger denn je, ein klares Verständnis für die eigene Identität zu haben. Überlege, welche Werte und Prinzipien für Dich wichtig sind und wie Du sie in deinem Berufsleben verwirklichen kannst. Sei Dir deiner Stärken und Schwächen bewusst und nutze sie zu deinem Vorteil.

Balance finden: Wie in der Geschichte von Syene musst Du einen Weg finden, um den Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit mit der Sehnsucht nach Geborgenheit und Sicherheit in Einklang zu bringen. Überlege, wie Du eine ausgewogene Work-Life-Balance schaffen kannst, die sowohl deinen persönlichen Bedürfnissen als auch den Anforderungen deines Arbeitsumfelds gerecht wird.

Flexibilität entwickeln: In einer Welt, in der ein Rückschlag an einem Ort der Welt Auswirkungen auf das andere Ende haben kann, ist es entscheidend, dass Du lernst, Dich auf Veränderungen einzustellen. Sei offen für neue Erfahrungen, Lernmöglichkeiten und Herausforderungen. Flexibilität wird Dir helfen, erfolgreich zu navigieren, wenn unvorhersehbare Ereignisse eintreten.

Vernetze Dich: Nutze die Chancen der globalisierten Welt, um Kontakte zu knüpfen und Dein berufliches Netzwerk zu erweitern. Lerne von anderen, teile Dein Wissen und arbeite zusammen, um gemeinsame Ziele zu erreichen. In einer vernetzten Welt kann der Erfolg oft auf die Qualität und Reichweite deiner Kontakte zurückgeführt werden.

Sei resilient: Rückschläge sind unvermeidlich, und es ist wichtig, dass Du lernst, mit ihnen umzugehen. Entwickle eine widerstandsfähige Denkweise, die es Dir ermöglicht, aus Fehlern zu lernen und stärker denn je zurückzukehren. Resilienz wird Dir dabei helfen, in einer sich ständig verändernden Welt erfolgreich zu sein.

Die Geschichte von Syene lehrt uns, dass die Suche nach unserer eigenen Identität in einer Welt voller Schatten und Licht entscheidend ist. Indem wir unsere Identität kennen, Balance finden, flexibel bleiben, uns vernetzen und widerstandsfähig sein, können wir erfolgreich in der modernen Arbeitswelt navigieren und unsere Karriereziele erreichen.

Mein Lieblingszitat in Murakamis Hard-boild-Wonderland-Erzählung geht übrigens wie folgt: „Enttäuschungen kommen zustande, weil man Erwartungen hegt.“ Als ich damals auf dem Gymnasium Altgriechisch als weitere Fremdsprache gewählt hatte, hegte ich keine Erwartungen. Heute bin ich nicht enttäuscht.


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